Ein ganz persönlicher Nachruf: In memoriam Willi Resetarits

Willi Resetarits Unfall war ein Schock. Zuerst erfuhr ich von seinem Tod per Whatsapp von meinem Schwager. Schnell war es gegoogelt und bestätigt. Realisiert habe ich es erst Stunden später, danach folgten Tage der Niedergeschlagenheit. Und viele In-memoriam-Sendung in Radio und Fernsehen.

Es war wie der Tod eines alten Bekannten, obwohl ich ihn niemals wirklich persönlich gesprochen hatte. Aber Willi Resetarits war mein musikalischer Begleiter seit frühester Jugendtage. Dies entspricht immerhin ungefähr einem viertel Jahrhundert. Keine andere Band oder kein anderer Musiker hat mir in so vielen Lebenssituationen und Lebenskrisen Trost & Rat gespendet wie Willi Resetarits aka Kurt Ostbahn. Das lag einerseits an ihm selber als Mensch, an seiner großen Bandbreite an Musikgenres, an seinen Mitmusikanten, und an den Songtexten. Letztere waren unter anderem von Günter Brödl oder Ernst Molden und schienen maßgeschneidert für Willi Resetarits zu sein.

Der Ostbahn-Virus

Im Jahr 1995 wurde ich vom Ostbahn-Kurti-Fieber gepackt. Ich kenne viele, die sich schon zu Chefpartie-Zeiten ansteckten; bei mir sollte es zu Beginn der Kombo-Zeiten sein. Die CD “Ein Abend im Espresso Rosi” kam heraus, und der Virus hatte mich befallen. Die CD ist ein durchwegs stimmiges Konzeptalbum von Mastermind Günter “Trainer” Brödl. Die Musik ist für das Album typisch eher blueslastig. Die Songtexte sind über Menschen, denen das Leben mitgespielt hatte und keine Erfolgsgeschichten. Sehr geerdet könnte man sagen.

Die Bühnenshows der Ostbahn-Kurti-Konzerte waren generell etwas besonderes. Die Lieder waren flankiert mit teilweise minutenlangen zu den Liedern passenden Geschichten. Diese waren einerseits sehr witzig vorgetragen. Andererseits war man sich über den Kern der Geschichten sicher: So ist es sicher irgendwann und irgendwo einmal passiert.
Und auch die Musiker der beiden Langzeit-Bands Chefpartie und Kombo halfen dabei mit. Jeder spielte ein Rolle. Und zwar so gut, dass der echte Mensch dahinter oft eine Erfindung schien.

Daneben gab es ab 1995 Ostbahn-Kurti-Krimis von Günter Brödl, die ins Ostbahn-Universum perfekt passten und die ich verschlang. Sie beschreiben die Wiener Seele und das soziale Milieu ihrer Protagonisten. Die Krimis sind damit auch irgendwie zeitlos. Aus dem ersten Krimi entstand sogar ein Kinofilm - Blutrausch -, der 1997 ins Kino kam.

Nicht vergessen darf man die jahrelange Radio-Sendung “Trost & Rat von und mit Dr. Kurt Ostbaun” auf Radio Wien. Die mehr als einstündige Sendung war Sonntag Mittag Pflichttermin. Sie bestach durch das Sendungskonzept: das Mitsingen zu alten Schlagern und das Musizieren mit Studiogästen. Daneben war es sehr erfrischend, dass Willi Resetarits den Wetterbericht und die Verkehrsinfo mit viel Witz ansagte. Überzogen wurde fast immer. Ein weiterer Radio-Fixpunkt war die gemeinsame Weihnachtssendung mit Gerald Votava auf FM4. Wie oft saß ich da im Auto, war schon längst am Ziel angekommen, und wartete noch, bis die Sendung zu Ende war.

Dieses Ostbahn-Universum, verkörpert durch Willi Resetarits und Günter Brödl, lies mich nicht mehr los. Dann das jähe Ende: der Tod von Günter Brödl. Und damit auch notgedrungen das Ende von der Figur Kurt Ostbahns. Der “Trainer” hinterließ allerdings noch ein paar sehr gute eingehende Songs, die später auf keinem Konzert fehlen durften: nennen möchte ich “57 Engeln” und “Waun die Musik vuabei ist”.

Das Jahr 2003 war ein Marathon. 3 CDs und eine riesige Tour. Meine Highlights waren definitiv die über vierstündigen Konzerte auf der Hohen Warte. Erstmals traten Kombo und Chefpartie gemeinsam auf. Aber auch der letzte Krampusrummel im Schutzhaus zur Schmelz war ganz was besonderes. Diese jährliche Konzertreihe in eher kleinerem Rahmen, dafür aber immer gleich mit vier oder fünf Konzerten in Folge. Jeder Abend ein bisschen anders. Jedesmal mit Nick’o’low, der öfters durch Gerald Votava verkörpert wurde. Den Krampusrummel hätte man locker in einen großen Konzert zusammenfassen können. Aber der eher familiäre Charakter machte die Konzerte ganz besonders. Die Konzerte konnten schon einmal fünf oder sechs Zugaben mit je ein paar Liedern haben. Acht waren Rekord. Vierstündige Konzerte waren dabei keine Seltenheit. Das letzte Ostbahn-Kurti-Konzert zu Silvester dürfte sehr emotional gewesen sein - ich ärgere mich noch heute nicht dabei gewesen zu sein.

Willi Resetarits

Aber Willi Resetarits war nicht nur Kurt Ostbahn und man darf ihn nicht nur auf diese Figur reduzieren: Er hatte viele neue Projekte wie beispielsweise den Stubnblues oder Alben mit Ernst Molden. Diesen waren im Vergleich zur Ostbahn-Kurti-Zeit sehr ruhig. Aber die Kombination aus guten Texten und Willi Resetarits Stimme hat etwas magisches. Man kann einfach nicht weghören. Man entdeckt immer wieder etwas neues wenn man in ältere Alben hineinhört.

Abseits der Musik und Radio fiel mir Willi Resetarits wohl zuerst durch die zahlreichen Werbungen auf, deren Gage er dem Integrationshaus spendete. Bei der Unterstützung von Sozialprojekten wirkte er sehr bodenständig. Auch der Gegenwind, den er zu spüren bekam, schien von ihm abzuprallen. Heute würde man wohl sagen: Willi Resetarits war authentisch. Willi Resetarits hatte scheinbar ein Gespür für Ungerechtigkeit. Er sprach nie mit erhobenem Zeigefinger und das machte sein Wirken noch glaubwürdiger. Mit seinem Motto beendete er beinahe jedes Ostbahn-Kurti-Konzert: “Passts auf, seids vuasichtig - und losst eich nix gfoin!”

Ein Merkmal Willi Resetarits war die Vielfalt, die er liebte. Diese zeigte sich unter anderem an unglaublich vielen unterschiedlichen Musik-Projekten verschiedener Musikstile. Wenn ihm etwas gefiel, dann machte er es. Egal wie populär es war. Abseits der großen Konzerte gab es viele kleine - die dadurch auch ein bisschen einen familiären Charakter boten. Die Vielfalt zeigt sich auch durch diverse In-memoriam-Sendung auf den doch so unterschiedlichen Radiosendern FM4, Radio Wien, und Ö1.

Die letzten 2 Jahre waren geprägt von dem Corona-Virus und damit wurde das all-zwei-jährige Ostbahn-Klassentreffen auf der Kaiserwiese im Prater zweimal verschoben. Dieses Jahr hätte es im Sommer stattfinden sollen. Im Rahmen eines Riesenbenefitkonzertes im Praterstadion (“We stand for Ukraine”), wäre er neben Bilderbuch, Wanda, oder Seiler und Speer Headliner gewesen. Leider hatte ihn zuerst das Corona-Virus erwischt. Und jetzt der Unfall.

Ein Mensch, “der an das Gute im Menschen glaubt, aber es nicht unbedingt verkörpert” wurde auf so manchem Ostbahn-Kurti-Konzerten von Karl Horak alias Leo Bei angesagt. Vermutlich war das tiefgestapelt.

Ernst Molden meinte: Er war “Österreichs einziger echter Superstar”. Ich würde hinzufügen: Er war Österreichs einziger wirklicher Rock- und Bluesstar. Ohne Starallüren. Ich werde ihn vermissen - danke für alles!